Männerstimmen in vorzüglichem Einklang
(Rezension zur CD "Du mußt werden, wie Du bist" des Collegium Canticum Dresden)

Männerchöre haben oft genug einen Anflug meist unverschuldeter Komik. Neben vielem, was da an musikalisch Erfreulichem durchaus positiv zu Buche steht, ist der Männerchor, mehr noch in der Bezeichnung als Männergesangsverein, immer wieder zum Paradebeispiel kleinbürgerlichen Verhaltens geworden und von der Presse und in der Literatur dem öffentlichen Spott ausgesetzt gewesen.
Die Repertoiregestaltung deutscher Männerchöre ist tatsächlich nicht ohne Problem, denn viel zu oft haftet der Liedauswahl eine beträchtliche Komik an. Wenn ein bestimmtes Volkslied immer wieder mit der gleichen falschen und albernen Humorigkeit gesungen wird, wird das Zuhören peinlich.
Die Repertoirefrage ist noch mit einer weiteren Crux belastet. Es gibt gute zeitgenössische Männerchorliteratur nicht gerade im Übermaß. Das meiste bewegt sich satztechnisch noch in der Mendelssohn-Nachfolge, deren Tauglichkeit ernsthaft zu hinterfragen ist. Die interessantesten Männerchorsätze finden sich in der Militärmusik, aber zu deren Aufführung kann nun wirklich nicht reinen Herzens geraten werden. Viele Männerchöre sind zudem nicht in der Lage, schwierige moderne Sätze befriedigend zu singen.
Nun gibt es aber auch interessante Lösungen — wir sind endlich bei unserem eigentlichen Thema. Kleine Gruppen hochqualifizierter Sänger sind in der Lage, auch sehr komplizierte Kompositionen und Bearbeitungen zu bewältigen.
Ein solches Ensemble, das Doppelquartett Collegium Canticum Dresden (CCD), hat jetzt eine eigene CD produziert, die einen repräsentativen Querschnitt durch sein Repertoire bietet. Programmatisch ist der Titel der CD, Du mußt werden, wie Du bist, der Wilhelm Buschs Gedicht Der Fatalist entlehnt ist. Wir sehen einmal davon ab, daß der Name der Gruppe ein Verstoß gegen die lateinische Grammatik ist, was die Gruppe weiß, aber nach mehr als zwanzig Jahren begreiflicherweise nicht mehr ändern möchte.
Alle acht sind ehemalige Kruzianer, die nach dem Ende ihrer Chorzeit einfach nocht nicht in den gesanglichen Ruhestand gehen wollten. Das Repertoire umfaßt inzwischen geistliche und weltliche Chorsätze aus fünf Jahrhunderten und hat — wen wundert‘s? — seine Wurzeln natürlich im Repertoire des Kreuzchors.
Die Grundlage des ältesten Stücks stammt aus dem Lochheimer (genauer wohl Lochamer) Liederbuch von 1452. Große Bedeutung für CCD hat die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts (Schein, Schütz, Palestrina). Der zweite große Block des Repertoires ist naturgemäß die Musik der Romantik. Auch hier handelt es sich weitgehend um Bearbeitungen von Sätzen, die ursprünglich für gemischtstimmigen Chor geschrieben sind. Es beweist Sicherheit im Umgang mit dem Material, daß man diese Bearbeitungen nicht als solche erkennt, sondern ihnen Originalqualität zubilligt. Mendelssohn Bartholdy (43. Psalm) und Brahms (Guten Abend, gut Nacht) sind ebenso vertreten wie Weber, dessen Schlaf Herzenssöhnchen mit bemerkenswertem Geschmack gesungen wird.
Es liegt in der Natur der Sache, daß einige Komponisten auftauchen, die man in sonstigen Konzertprogrammen kaum je findet: Karl Etti, Wilhelm Stade, Bernhard Klein, August von Othegraven, über die man ganz gern ein wenig mehr erfahren hätte, aber das karge Booklet informiert darüber leider nicht.
Die Zusammenstellung des Programms auf der CD ist nicht unproblematisch, weil sehr viele kurze Kompositionen enthalten sind. Man kann darin einen Mangel sehen, aber es geht um die Vorstellung des Ensembles.
Die Programmdramaturgie stimmt: es beginnt mit geistlichen Werken, hat zwei starke Teile mit weltlichen, teilweise recht heiteren Kompositionen und kehrt am Ende zur geistlichen Musik zurück. Die gesangliche Qualität ist ausgezeichnet. CCD singt je nach Bedarf in reiner Männerbesetzung oder mit Tenören in Altlage. Klangliche Differenzierungsfähigkeit und eine hohe Pianokultur fallen immer wieder positiv auf.

Peter Zacher